Erlosung by Fischer Claus Cornelius

Erlosung by Fischer Claus Cornelius

Autor:Fischer Claus Cornelius [Cornelius, Fischer Claus]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: E Books der Verlagsgruppe Random House
veröffentlicht: 2011-03-14T17:00:00+00:00


28

Unter der Jannowitz-Brücke wurde das Turbinengeräusch lauter, und die Bugwelle des Boots schlug gegen den Betonpfeiler in der Mitte des Flusses. Im Schatten der Brücke war die Luft kühl, aber dahinter lag die Nachmittagssonne wieder gleißend auf dem Wasser, nur die Konturen der Gebäude am Ufer waren schärfer geworden. Sie passierten die Brücke bereits zum zweiten Mal, und noch immer gab es kein Zeichen von Professor Forell. Nehmen Sie die Rundfahrt, die mittags an der Anlegestelle im Nikolaiviertel startet und bleiben Sie an Bord, bis ich Kontakt mit Ihnen aufnehme, hatte er Dany aufgetragen, mit einer Stimme, die gewohnt war, dass man ihren Anordnungen Folge leistete.

Ella und Dany waren gleich nach Betreten des Boots ganz nach hinten gegangen, wo sie im Freien saßen und die anderen Passagiere im Blick hatten. Die Bänke vor ihnen waren voll besetzt: eine Gruppe schnatternder Japaner mit ihren Kameras, mehrere ältere Amerikaner in roten und blauen Windjacken, komplett mit Rucksäcken, Baseballcaps und luftgepolsterten Laufschuhen; eine Schulklasse: kleine Mädchen mit Kopftüchern, lärmende Jungen mit Kapuzenjacken oder tief ins Gesicht gezogenen Wollmützen. Eine Handvoll arabische Touristen und zwei Dutzend ärmlich gekleidete Besucher aus der Provinz.

Hier oder da hielt ein Mann ein Fotohandy in die Höhe, knipste, betrachtete das Foto und fotografierte weiter: den S-Bahnhof hoch über dem Ufer, den Glaspalast mit der Chinesischen Botschaft auf der gegenüberliegenden Seite, die Uferpromenade, die alten Bäumen vor den herandrängenden Hochhäusern.

Immer wenn jemand das Handy in ihre Richtung hielt, wandte Ella rasch das Gesicht ab, trotz Sonnenbrille, Schal und Muslima-Kopftuch, nur zur Sicherheit. Sie vermutete, dass Forell vom Pier aus beobachtet hatte, wie sie an Bord gegangen waren, bevor er selbst das Boot betreten hatte. Sie nahm alle männlichen Passagiere genau in Augenschein, zoomte auf den einen oder anderen zu wie die Kamera in einem Videoclip, nein, der nicht, schwenkte weiter, der da vielleicht, kehrte noch mal zurück, oder doch der?, sortierte aus. Keiner sah wie ein Professor aus, jedenfalls nicht so, wie sie sich einen Professor vorstellte, und am Ende der ersten Rundfahrt hatten alle das Boot verlassen bis auf sie und Dany, eine Frau und zwei weitere Männer.

Vielleicht hatte er es sich anders überlegt. Vielleicht kam er gar nicht.

Die beiden Männer saßen rechts und links vom Mittelgang ganz vorn, die Frau zwei Reihen vor ihr. Der Mann links vom Gang war nicht sehr groß, aber kräftig, vielleicht ein Arbeiter. Der Mann auf der anderen Seite war schlank und ebenfalls nicht sehr groß. Er trug einen hellen Filzhut, eine eierschalenfarbene Leinenhose mit altmodischen Aufschlägen, Schnürschuhe aus bordeauxrotem Wildleder und unter einem kastanienbraunen Kammgarnjackett ein hervorragend dazu passendes hellblau und weiß gestreiftes Hemd mit gerundetem Kragen. Und eine Fliege, tatsächlich eine Fliege, rot wie die Schuhe und gleichgültig vorgestreckt, dazu noch schief. Die viereckige goldene Uhr an seinem linken Handgelenk wirkte teuer, die Schildpattbrille ebenso, und wie um den Gesamteindruck abzurunden, hielt er eine Ausgabe des Independent im Schoß.

Auf dem Platz neben ihm lag eine gefütterte Jiffy-Tasche.

Der könnte es sein, dachte Ella, obwohl er nicht das geringste Interesse an ihr oder Dany zu haben schien.



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